von Volker Thamm
Diez. „Neuer Stil im alten Schloss" - das ist der Titel einer neuen historischen Schrift, die sich mit der Napola befasst, die von 1934 bis 1945 im Schloss Oranienstein beheimatet war. Adolf Morlang, Ge-schichtslehrer am Diezer Sophie-Hedwig-Gymnasium und engagierter Geschichtsforscher der heimischen Region, hat damit ein weiteres Kapitel nationalsozialistischer Vergangenheit aufgeschlagen und damit den weiteren Weg im Kampf gegen das Vergessen beschritten. Vorurteilsfrei, informativ, dokumentarisch, wissenschaftlich.
Napola - das war eine von zuletzt 35 nationalpolitischen Erziehungsanstalten, die Jungen ab der fünften Klasse bis zum Abitur (12. Klasse) führen sollte. Die Napola in Diez stellt ein Teil Diezer Geschichte dar, die jedoch weitgehend unbekannt ist.
Adolf Morlang wurde 1997 auf die Napola aufmerksam. Da gab es in Oranienstein eine Art „Klassentreffen". Ehemalige Schüler der NPEA, so die offizielle Abkürzung, mit Angehörigen trafen sich in Diez, um an die Einschulung vor 60 Jahren zu erinnern. Im gleichen Jahr erschien eine ausführliche Erlebnisdokumentation von Harald Schäfer, der von 1941 bis 1945 in Oranienstein war. Vier Jahre später gab Hans Günther Zempe-lin unter dem Titel „Des Teufels Kadett" seine Erinnerungen als Jungmann in Oranienstein her-
Diese Bücher bildeten die Grundlagen für Morlangs Forschungen. Zusätzlich tat er neue Quellen auf, forschte im Landes-hauptarchiv in Koblenz und sprach mit Zeitzeugen. Drei von ihnen waren bei der Vorstellung des lesenswerten Büchleins in der Bücherei Schuhmacher dabei: der frühere Cramberger Pfarrer Horst Günter Ulrich, einst Schüler der Napola, sowie die einstigen Napola-Sekre-tärinnen Margarete Gerhardt geb. Fortenbacher aus Nauheim - sie stammt aus Werschau - und Beatrix Stöppler geb. Obenauer aus Diez. Im Kreise der geschichtlich interessierten Zeitgenossen fanden sich außerdem der Diezer Stadtarchivar Fred Storto, Heimatkündler Hermann Künzler (Freiendiez) und Dr. Heinrich Schäfer (Cram-berg).
Adolf Morlang äußerte sein Bedauern darüber, dass in Oranienstein keine Gedenktafel auf die einstige Internatsschule hinweist, wohl aber eine solche für die Kadetten, die während der Kaiserzeit in Oranienstein ausgebildet wurden, vorhanden ist. Horst Günter Ulrich war nur ein Jahr in Oranienstein, 1944/45, und er hatte viel Spaß dabei. „Wir wussten ja nicht, wofür wir erzogen wurden", meinte er jetzt.
Morlangs Buch klärt darüber auf: Die Napola sollte geeigneten Nachwuchs für Führungspositionen in allen zivilen Bereichen der Wirtschaft, Gesellschaft, Verwaltung und auch im Militär bereitstellen. Die Jungmannen sollten
zu soldatisch ausgerichteten politischen Kämpfern erzogen werden, die sich völlig mit dem Nationalsozialismus identifizierten.
Die Napola bescherte Diez neben dem Finanzamt einen zweiten repräsentativen Bau aus dem Dritten Reich, das Kameradschaftshaus, 1934/35 am Rande des Schlossgeländes errichtet. So konnten die 250 Jungmann untergebracht werden.
Wie wurde die Napola damals empfunden? Als am 1.April 1934 in den Räumen des Schlosses Oranienstein die „nationalpolitische Erziehungsanstalt" als fünfte ihrer Art in Preußen eröffnet wurde, kommentierte der Chronist der Volksschule: „Nun war Oranienstein wieder das, was es im alten Deutschland war, staatliche Anstalt mit besonderer Sinngebung."
In Diez gibt es viele historische Dinge zu erforschen, speziell aus dem Dritten Reich, meinte Adolf Morlang. Bereits vor drei Jahren hat er gemeinsam mit Klaus Peter Hartmann das Buch „Boykottiert -emigriert - deportiert - liquidiert" veröffentlicht.
Wird es weitere Projekte geben? „Natürlich", sagt er und blickt schon auf seinen angestrebten Ruhestand in zwei Jahren. Dann wird er noch mehr Zeit zum Forschen haben.
Das Buch „Neuer Stil im alten Schloss" ist verkauft. Sehen Sie auch den neuen Film „Napola“ an.